Es ist immer schwer, über die eigene Person zu schreiben, weil das Eigenlob oder das Eingeständnis der Schwächen zu Missverständnis führen kann. Ich versuche es trotzdem.

Ich halte mich für einen glücklichen Menschen, weil ich mich innerhalb der Natur und Gesellschaft – sofern diese nicht durch Krieg und Ungerechtigkeit belastet ist – gut aufgehoben finde. Meine künstlerische Begabung habe ich von meiner Mutter, eine „technische“ von meinem Vater geerbt.

Das Bekanntwerden ist aber nicht mein Ziel. Mich interessiert viel mehr, wie weit mich meine Begabung trägt. Durch das Architekturstudium mit vielen Reisen und durch die permanente Beschäftigung mit Zeichnen, Malen und Entwerfen bin ich vom Assistenten an der Uni in Hannover zum Lehrbeauftragten und 1976 zum Professor für Gestaltung, Fotografie und interdisziplinäre Projekte an die heutige Muthesius Kunsthochschule in Kiel gekommen. Nach 20 Jahren Lehrtätigkeit mit einer dreijährigen Unterbrechung als Rektor habe ich mich 2006 für ein neues ganz freies Künstlerleben entschieden.

 

Zur Fotografie, den Bildbänden und Ausstellungen

Der Übergang von der Malerei, den Skizzen und Tagebuchaufzeichnungen zur Fotografie entwickelte sich während des Architekturstudiums. „Alle fanden meine Fotos toll“.
Mit dem Bildband „Elysische Felder“ über die Englischen Gärten in England und Deutschland 1987 begann die Reihe meiner Editionen. Zuerst interessierten mich Ideallandschaften, dann Stadtlandschaften und Kulturräume. Bis 2019 habe ich 18 Bildbände in s/w und Farbe gemacht, davon sind etwa die Hälfte auf Kiel und Schleswig-Holstein bezogen.

2010 wird die Anthologie „Kieler Stadtteile“ abgeschlossen und 2011 richtet das Stadtmuseum Warleberger Hof in Kiel eine umfassende Ausstellung aus.

Meine Fotografie wird weitgehend in den Bildbänden widergespiegelt. Bei dem Bildband „Die Schlei, von Schleimünde bis Schleswig“, habe ich mit dem Schiff, vom Flugzeug aus, mit dem Auto und zu Fuß die Gegend erkundet. Erst wenn ich eine bildhafte Vorstellung entwickeln konnte und von dem Motiv überzeugt war, habe ich fotografiert.
Ruhige horizontale und strukturierende vertikale Objekte bilden die Basis für gute Bildgestaltung. Ich achte sehr darauf, das sich die Formen, also die Gegenstände mit der Landschaft gestalterisch verbinden und das sich die Bildelemente gegensätzlich oder im stimmungsvollen Einvernehmen verdichten.
Die Fotoausstellungen zu unterschiedlichen Themen habe ich bislang immer selbst kuratiert. Es war mir immer wichtig, einerseits die ausgewählte Bilder im Raum auf ihre Wirkung und Qualität hin beurteilen zu können, und andererseits interessiert mich das Feetback der Betrachter.
Die Exponate müssen zu den Räumen passen, damit Architektur und Bild sich gegenseitig stärken und die Bilder bestmöglich zur Wirkung kommen.

 

Zur Digitalgrafik

Die Fotografie beschäftigt sich mit der Umgebung. Ich schneide die Bilder gewissermaßen aus der Landschaft oder allgemein gesagt aus der Realität aus. In meinen Kompositionen zeige ich das, was ich sehe, und das, was vorhanden ist. Zusätzlich möchte ich fortan meinen Empfindungen und Gedanken stärker Ausdruck verleihen.

Im Dezember 2019 habe ich begonnen, am Computer Digitalgrafiken zu erstellen. Ich konnte auf meine Tagebücher zurückgreifen und bald Gedanken und Erlebnisse mit dem Programm „Pages“ bildhaft sichtbar machen.
Mir steht wie jedem Maler bei der Arbeit die ganze Welt der Gedanken und der Träume, Formen und Farben zur Verfügung, und so kann ich Themen wählen und bearbeiten, die mich selbst begeistern und andere interessieren.

Zu den individuellen Gefühlen passen eher kleine Formate, die der Lyrik verwandt sind. Wie Gedichte aus Gedanken unterschiedlichster Bereiche zusammengesetzt sind, bestehen die Kompositionen der Grafiken oft auch aus heterogenen unlogischen Teilen, die sich inhaltlich aber wieder zu einer Aussage, einem Ausdruck zusammenfinden.

Im Oktober 2020 war es dann soweit, ich konnte erstmals Grafiken im Zusammenhang mit meinen schon bekannten Fotografien ausstellen.

 

Zur Ausstellung Architektur – Figur – Landschaft

In der Galerie Simone Menne wurde die Ausstellung unter dem Titel „Architektur - Figur - Landschaft, Fotografie und Digitalgrafik“ am 2.Oktober 2020 eröffnet.

Die Konzeption der Ausstellung habe ich als Herausforderung gesehen, weil der Galerieraum mit großen Fenstern ausgestattet ist. Ich habe in die sechs Fenster Fotos Rücken an Rücken gehängt, so dass eine gute Außenwirkung entstand. Im Inneren des Raumes bilden weitere Großfotos den äußeren Rahmen, in den die Digitalgrafik auf Pulten so arrangiert ist, dass der Raum in Gänze erlebbar bleibt.

 

Zeichnen und Malen - Fotografie - Bücher - Ausstellungen - Digitalgrafik

Mit unterschiedlichen Techniken liebe ich, Neues zu gestalten. Dabei ist mir der Prozess besonders wichtig. Ich denke dabei nicht daran, große Kunstwerke zu schaffen, sondern daran, meine Erfahrungen aus dem Alltagsleben durch die Grafik sichtbar zu machen. Im Gestaltungsprozess entsteht oft das noch unbekannte, das nicht voraussagbare Ergebnis. Es ist ein Glücksgefühl, wenn am Ende die Arbeit gefällt.

 

Die Fotografie führt zu klassischen Kompositionen.
Die Digitalgrafik führt zu überraschenden Erfindungen, die zur Auseinandersetzung auffordern.

 

Reiner Maria Brochard im November 2020

Selbstportrait im Atelier Weckenstraße 2, Hannover, 1978
Präsentation der Fotoarbeiten 1977 im Atelier Weckenstraße 2, Hannover
Selbstportrait als Doppelbelichtung
Reiner Maria Borchard 2009